Sorben in Salzenforst: Unterschied zwischen den Versionen
Keine Bearbeitungszusammenfassung |
|||
| Zeile 3: | Zeile 3: | ||
== Osterreiten == | == Osterreiten == | ||
Osterreiten - Křižerjo | |||
Am Ostersonntag, dem höchsten christlichen Festtag des Kirchenjahrs versammeln sich vormittags neun Prozessionen mit ca. 1700 festlich gekleideten Reitern1 in ihren Kirchen, um den Segen zu erbitten und die Osterbotschaft, die Nachricht von der Auferstehung Jesu Christi, über das Land und in die Partnergemeinde zu tragen. Die Reiter sitzen auf aufwendig geschmückten Pferden. Sie führen Kirchenfahnen, das Kreuz und die Statue des Auferstandenen mit sich, reiten zunächst unter vollem Glockengeläut dreimal um die Pfarrkirche der Heimatgemeinde, beten auf dem Friedhof für die Verstorbenen und reiten anschließend in das benachbarte Kirchspiel. Auf ihrem Weg singen die Reiter sorbische Kirchenlieder und beten gemeinsam. In der Partnergemeinde werden sie von den Familien der dortigen Reiter oder anderen Mitgliedern der Kirchgemeinde empfangen, bewirtet und treten nachmittags den Rückweg an. | |||
Die Pfarrgemeinden der Altkreise Bautzen, Kamenz und Hoyerswerda sowie der sorbische Teil der Pfarrei St. Petri Bautzen entsenden die Reiter der Osterprozessionen. Über die Jahrhunderte bildeten sich vier Partnerschaften heraus: Ralbitz – Wittichenau, Crostwitz – Panschwitz, Radibor – Storcha sowie Nebelschütz – Ostro. Die Bautzener Prozession stellt eine Ausnahme dar, da sie keine Partnergemeinde hat, d. h. traditionell zwar nach Radibor reitet, aber keinen Gegenbesuch von dort erhält. | |||
Bemerkenswert ist, dass diese Prozession, das Osterreiten (sorbisch: Křižerjo), als religiöses Ritual der Oberlausitzer Sorben streng auf Funktion und Würde eines ganztägigen Gottesdienstes im Sinne der Verkündigung der Osterbotschaft ausgerichtet ist, aber nicht von der katholischen Kirche, sondern ausschließlich von Laien organisiert. | |||
Die Pferde werden mittlerweile aus dem gesamten Bundesgebiet für das Osterwochenende angemietet, was selbstredend entsprechende finanzielle Ressourcen erfordert. Viele Teilnehmer sind auch nicht die physischen Strapazen gewohnt, die das mehrstündige Reiten9 bei mitunter recht unfreundlichen Wetterverhältnissen und das gleichzeitige Singen und Beten mit sich bringen. Nicht wenige mach(t)en ihre ersten Reiterfahrungen kurz vor Ostern. Trotz dieser scheinbar wenig verlockenden Umstände steigen die Teilnehmerzahlen seit den 1990er-Jahren kontinuierlich an: von insgesamt 1021 (1986) bis zu 1670 Pferden (2008) (vgl. Salowski 1992: 61, Frenzel 2005 und aktuelle Angaben der Pfarrämter). Kostspielig sind indes nicht nur die Pferde, sondern auch deren Ausstattung, also das wertvolle Zaumzeug, das oft aufwendig mit weißen Kaurischnecken oder feinen Metallbeschlägen verziert ist und worauf häufig das Symbol des Osterlamms mit Fahne zu finden ist. Auch die Kleidung der Männer (schwarzer Gehrock, Stiefel, Zylinder, in einigen Orten weiße Handschuhe) gehört keineswegs zur Standardausstattung des zeitgenössischen Kleiderschranks. Daher werden oft Teile der Ausrüstung und Kleidung, ähnlich wie die kostbaren Trachten der sorbischen Mädchen und Frauen, an die nächste Generation vererbt. Nimmt ein junger Sorbe erstmals am Osterreiten teil (das Mindestalter liegt bei ca. 14 Jahren), ist er in diesem Jahr an einem kleinen grünen Kranz am Revers zu erkennen, während die Treue älterer Reiter nach 25 Jahren an einem silbernen, nach 50 Jahren an einem goldenen Kranz sichtbar ist. (Maren Schorch: „ Das sorbische Osterreiten in der Oberlausitz. Soziologische Reflexionen“ LĚTOPIS. Zeitschrift für sorbische Sprache, Geschichte und Kultur. Časopis za rěč, stawizny a kulturu Łužiskich Serbow), issue: 2 /2008, pages: 42-60 www.ceeol.com) | |||
Das Osterreiten in Bautzen fand dagegen erst 1927 zum ersten Mal statt. Vermutlich liegt es daran, daß in der Stadt katholisches sorbisches Bauerntum nicht so konzentriert vorhanden ist. Damals fanden sich einige Sorben, um von Bautzen nach Radibor zu reiten und an der dortigen Prozession nach Storcha teilzunehmen. Unterwegs schloß sich ihnen noch ein weiteres Reiterpaar an, die Einwohner Spahn und Ziesch aus Salzenforst. 1928 ging das erste Osterreiten als selbstständige Prozession mit einer Beteiligung von 46 Reitern vor sich. In den Kriegsjahren 1941-1945 fiel die Prozession jedoch aus (Erich Lodni: „Das 30. Osterreiten in Bautzen“ Bautzener Kulturschau 4/1963). | |||
Warum Bautzen keine Partnergemeinde hat, ist aufgrund der dürftigen Quellenlage nicht befriedigend zu beantworten. In der Zeit, in der die Stadt keine eigene Prozession stellte (zwischen dem Ende des 18. Jahrhunderts und 1928 sowie zwischen 1970 und 1993) beteiligten sich die Bautzener Sorben in den Reiterzügen umliegender Gemeinden. Seit 1993 verzeichnet die städtische Prozession wieder stabile Teilnehmerzahlen. (Maren Schorch: „ Das sorbische Osterreiten in der Oberlausitz. Soziologische Reflexionen“ LĚTOPIS. Zeitschrift für sorbische Sprache, Geschichte und Kultur. Časopis za rěč, stawizny a kulturu Łužiskich Serbow), issue: 2 /2008, pages: 42-60 www.ceeol.com) | |||
__INHALTSVERZEICHNIS_ERZWINGEN__ | __INHALTSVERZEICHNIS_ERZWINGEN__ | ||
Version vom 22. Januar 2025, 09:54 Uhr
Wenden oder Sorben?
Im Mittelalter bezeichneten die Deutschen alle slawischen Stämme, mit denen sie in Berührung kamen, als Wenden oder Winden. Das waren sowohl die Dravänopolaben im Lüneburger Wendland, die Wagrier in Holstein, die Obroditen in Mecklenburg, die Lutitzen in Brandenburg und die Sorben in Thüringen und Nordbayern. Heute noch werden die Slowenen in Kärnten, Krain und in der Südsteiermark als als Winden bezeichnet. In Deutschland haben sich von allen früher dort wohnenden Stämmen nur Reste der lausitzer Sorben ihre Sprache bewahrt. Diese wurden im volkstümlichen Sinn als Wenden bezeichnet. In der Wissenschaft aber ist für sie schon immer der Name Sorben üblich gewesen. Auch die "Wenden" selbst nennen sich in ihrer Sprache Serben (Sorben). Wenn man die Sorben Wenden nennt, so ist das ähnlich, als wenn man die Deutschen als Germanen bezeichnen würde. So sind die Sorben lediglich ein Teil der Wenden, so wie die Deutschen ein Teil der Germanen bilden (aus: Bautzener Kulturvorschau 12/1955).
Osterreiten
Osterreiten - Křižerjo
Am Ostersonntag, dem höchsten christlichen Festtag des Kirchenjahrs versammeln sich vormittags neun Prozessionen mit ca. 1700 festlich gekleideten Reitern1 in ihren Kirchen, um den Segen zu erbitten und die Osterbotschaft, die Nachricht von der Auferstehung Jesu Christi, über das Land und in die Partnergemeinde zu tragen. Die Reiter sitzen auf aufwendig geschmückten Pferden. Sie führen Kirchenfahnen, das Kreuz und die Statue des Auferstandenen mit sich, reiten zunächst unter vollem Glockengeläut dreimal um die Pfarrkirche der Heimatgemeinde, beten auf dem Friedhof für die Verstorbenen und reiten anschließend in das benachbarte Kirchspiel. Auf ihrem Weg singen die Reiter sorbische Kirchenlieder und beten gemeinsam. In der Partnergemeinde werden sie von den Familien der dortigen Reiter oder anderen Mitgliedern der Kirchgemeinde empfangen, bewirtet und treten nachmittags den Rückweg an.
Die Pfarrgemeinden der Altkreise Bautzen, Kamenz und Hoyerswerda sowie der sorbische Teil der Pfarrei St. Petri Bautzen entsenden die Reiter der Osterprozessionen. Über die Jahrhunderte bildeten sich vier Partnerschaften heraus: Ralbitz – Wittichenau, Crostwitz – Panschwitz, Radibor – Storcha sowie Nebelschütz – Ostro. Die Bautzener Prozession stellt eine Ausnahme dar, da sie keine Partnergemeinde hat, d. h. traditionell zwar nach Radibor reitet, aber keinen Gegenbesuch von dort erhält.
Bemerkenswert ist, dass diese Prozession, das Osterreiten (sorbisch: Křižerjo), als religiöses Ritual der Oberlausitzer Sorben streng auf Funktion und Würde eines ganztägigen Gottesdienstes im Sinne der Verkündigung der Osterbotschaft ausgerichtet ist, aber nicht von der katholischen Kirche, sondern ausschließlich von Laien organisiert.
Die Pferde werden mittlerweile aus dem gesamten Bundesgebiet für das Osterwochenende angemietet, was selbstredend entsprechende finanzielle Ressourcen erfordert. Viele Teilnehmer sind auch nicht die physischen Strapazen gewohnt, die das mehrstündige Reiten9 bei mitunter recht unfreundlichen Wetterverhältnissen und das gleichzeitige Singen und Beten mit sich bringen. Nicht wenige mach(t)en ihre ersten Reiterfahrungen kurz vor Ostern. Trotz dieser scheinbar wenig verlockenden Umstände steigen die Teilnehmerzahlen seit den 1990er-Jahren kontinuierlich an: von insgesamt 1021 (1986) bis zu 1670 Pferden (2008) (vgl. Salowski 1992: 61, Frenzel 2005 und aktuelle Angaben der Pfarrämter). Kostspielig sind indes nicht nur die Pferde, sondern auch deren Ausstattung, also das wertvolle Zaumzeug, das oft aufwendig mit weißen Kaurischnecken oder feinen Metallbeschlägen verziert ist und worauf häufig das Symbol des Osterlamms mit Fahne zu finden ist. Auch die Kleidung der Männer (schwarzer Gehrock, Stiefel, Zylinder, in einigen Orten weiße Handschuhe) gehört keineswegs zur Standardausstattung des zeitgenössischen Kleiderschranks. Daher werden oft Teile der Ausrüstung und Kleidung, ähnlich wie die kostbaren Trachten der sorbischen Mädchen und Frauen, an die nächste Generation vererbt. Nimmt ein junger Sorbe erstmals am Osterreiten teil (das Mindestalter liegt bei ca. 14 Jahren), ist er in diesem Jahr an einem kleinen grünen Kranz am Revers zu erkennen, während die Treue älterer Reiter nach 25 Jahren an einem silbernen, nach 50 Jahren an einem goldenen Kranz sichtbar ist. (Maren Schorch: „ Das sorbische Osterreiten in der Oberlausitz. Soziologische Reflexionen“ LĚTOPIS. Zeitschrift für sorbische Sprache, Geschichte und Kultur. Časopis za rěč, stawizny a kulturu Łužiskich Serbow), issue: 2 /2008, pages: 42-60 www.ceeol.com)
Das Osterreiten in Bautzen fand dagegen erst 1927 zum ersten Mal statt. Vermutlich liegt es daran, daß in der Stadt katholisches sorbisches Bauerntum nicht so konzentriert vorhanden ist. Damals fanden sich einige Sorben, um von Bautzen nach Radibor zu reiten und an der dortigen Prozession nach Storcha teilzunehmen. Unterwegs schloß sich ihnen noch ein weiteres Reiterpaar an, die Einwohner Spahn und Ziesch aus Salzenforst. 1928 ging das erste Osterreiten als selbstständige Prozession mit einer Beteiligung von 46 Reitern vor sich. In den Kriegsjahren 1941-1945 fiel die Prozession jedoch aus (Erich Lodni: „Das 30. Osterreiten in Bautzen“ Bautzener Kulturschau 4/1963).
Warum Bautzen keine Partnergemeinde hat, ist aufgrund der dürftigen Quellenlage nicht befriedigend zu beantworten. In der Zeit, in der die Stadt keine eigene Prozession stellte (zwischen dem Ende des 18. Jahrhunderts und 1928 sowie zwischen 1970 und 1993) beteiligten sich die Bautzener Sorben in den Reiterzügen umliegender Gemeinden. Seit 1993 verzeichnet die städtische Prozession wieder stabile Teilnehmerzahlen. (Maren Schorch: „ Das sorbische Osterreiten in der Oberlausitz. Soziologische Reflexionen“ LĚTOPIS. Zeitschrift für sorbische Sprache, Geschichte und Kultur. Časopis za rěč, stawizny a kulturu Łužiskich Serbow), issue: 2 /2008, pages: 42-60 www.ceeol.com)
