Sorben in Salzenforst
Wenden oder Sorben?
Im Mittelalter bezeichneten die Deutschen alle slawischen Stämme, mit denen sie in Berührung kamen, als Wenden oder Winden. Das waren sowohl die Dravänopolaben im Lüneburger Wendland, die Wagrier in Holstein, die Obroditen in Mecklenburg, die Lutitzen in Brandenburg und die Sorben in Thüringen und Nordbayern. Heute noch werden die Slowenen in Kärnten, Krain und in der Südsteiermark als als Winden bezeichnet. In Deutschland haben sich von allen früher dort wohnenden Stämmen nur Reste der lausitzer Sorben ihre Sprache bewahrt. Diese wurden im volkstümlichen Sinn als Wenden bezeichnet. In der Wissenschaft aber ist für sie schon immer der Name Sorben üblich gewesen. Auch die "Wenden" selbst nennen sich in ihrer Sprache Serben (Sorben). Wenn man die Sorben Wenden nennt, so ist das ähnlich, als wenn man die Deutschen als Germanen bezeichnen würde. So sind die Sorben lediglich ein Teil der Wenden, so wie die Deutschen ein Teil der Germanen bilden (aus: Bautzener Kulturvorschau 12/1955).
Osterreiten
Osterreiten - Křižerjo

Am Ostersonntag, dem höchsten christlichen Festtag des Kirchenjahrs versammeln sich vormittags neun Prozessionen mit ca. 1700 festlich gekleideten Reitern in ihren Kirchen, um den Segen zu erbitten und die Osterbotschaft, die Nachricht von der Auferstehung Jesu Christi, über das Land und in die Partnergemeinde zu tragen. Die Reiter sitzen auf aufwendig geschmückten Pferden. Sie führen Kirchenfahnen, das Kreuz und die Statue des Auferstandenen mit sich, reiten zunächst unter vollem Glockengeläut dreimal um die Pfarrkirche der Heimatgemeinde, beten auf dem Friedhof für die Verstorbenen und reiten anschließend in das benachbarte Kirchspiel. Auf ihrem Weg singen die Reiter sorbische Kirchenlieder und beten gemeinsam. In der Partnergemeinde werden sie von den Familien der dortigen Reiter oder anderen Mitgliedern der Kirchgemeinde empfangen, bewirtet und treten nachmittags den Rückweg an.
Die Pfarrgemeinden der Altkreise Bautzen, Kamenz und Hoyerswerda sowie der sorbische Teil der Pfarrei St. Petri Bautzen entsenden die Reiter der Osterprozessionen. Über die Jahrhunderte bildeten sich vier Partnerschaften heraus: Ralbitz – Wittichenau, Crostwitz – Panschwitz, Radibor – Storcha sowie Nebelschütz – Ostro. Die Bautzener Prozession stellt eine Ausnahme dar, da sie keine Partnergemeinde hat, d. h. traditionell zwar nach Radibor reitet, aber keinen Gegenbesuch von dort erhält.
Bemerkenswert ist, dass diese Prozession, das Osterreiten (sorbisch: Křižerjo), als religiöses Ritual der Oberlausitzer Sorben streng auf Funktion und Würde eines ganztägigen Gottesdienstes im Sinne der Verkündigung der Osterbotschaft ausgerichtet ist, aber nicht von der katholischen Kirche, sondern ausschließlich von Laien organisiert.
Die Pferde werden mittlerweile aus dem gesamten Bundesgebiet für das Osterwochenende angemietet, was selbstredend entsprechende finanzielle Ressourcen erfordert. Viele Teilnehmer sind auch nicht die physischen Strapazen gewohnt, die das mehrstündige Reiten9 bei mitunter recht unfreundlichen Wetterverhältnissen und das gleichzeitige Singen und Beten mit sich bringen. Nicht wenige mach(t)en ihre ersten Reiterfahrungen kurz vor Ostern. Trotz dieser scheinbar wenig verlockenden Umstände steigen die Teilnehmerzahlen seit den 1990er-Jahren kontinuierlich an: von insgesamt 1021 (1986) bis zu 1670 Pferden (2008) (vgl. Salowski 1992: 61, Frenzel 2005 und aktuelle Angaben der Pfarrämter). Kostspielig sind indes nicht nur die Pferde, sondern auch deren Ausstattung, also das wertvolle Zaumzeug, das oft aufwendig mit weißen Kaurischnecken oder feinen Metallbeschlägen verziert ist und worauf häufig das Symbol des Osterlamms mit Fahne zu finden ist. Auch die Kleidung der Männer (schwarzer Gehrock, Stiefel, Zylinder, in einigen Orten weiße Handschuhe) gehört keineswegs zur Standardausstattung des zeitgenössischen Kleiderschranks. Daher werden oft Teile der Ausrüstung und Kleidung, ähnlich wie die kostbaren Trachten der sorbischen Mädchen und Frauen, an die nächste Generation vererbt. Nimmt ein junger Sorbe erstmals am Osterreiten teil (das Mindestalter liegt bei ca. 14 Jahren), ist er in diesem Jahr an einem kleinen grünen Kranz am Revers zu erkennen, während die Treue älterer Reiter nach 25 Jahren an einem silbernen, nach 50 Jahren an einem goldenen Kranz sichtbar ist. (Maren Schorch: „ Das sorbische Osterreiten in der Oberlausitz. Soziologische Reflexionen“ LĚTOPIS. Zeitschrift für sorbische Sprache, Geschichte und Kultur. Časopis za rěč, stawizny a kulturu Łužiskich Serbow), issue: 2 /2008, pages: 42-60 www.ceeol.com)
Geschichte
Die Anfänge des Osterreitens reichen bis in vorchristliche Zeiten zurück. Man glaubte, magische Kreise würden Menschen, Vieh und junge Saaten vor Unglück schützen. Die Reformation stand diesen Prozessionen ablehnend gegenüber. Die deutsche Form dieser Tradition wird nur noch als "Saatreiten" in Ostritz bei Bernstadt gepflegt. Die Sorbische hingegen hat in mehreren Kirchspielen überdauert.
1780 wurde von Seiten der Obrigkeit erneut versucht, den Brauch abzuschaffen. Die Prozessionen von Budissin und Radibor mußten eingestellt werden, wogegen sich die Crostwitzer erfolgreich zur Wehr setzten. Franz Georg Lock, Dekan von Bautzen, erteilte 1815 die Genehmigung zur Prozession von Ostro. Diese steht im Austausch mit Nebelschütz, wo nach einer Unterbrechung im 30-jährigen Krieg seit 1679 wieder zu Ostern geritten wurde. 1882 erteilte die Amtshauptmannschft Bautzen die Erlaubnis zur Erneuerung der Prozession von Radibor. 10 Jahre hindurch ritt man nach Sdier, ab 1892 dann nach Storcha. Ab 1894 verselbständigten sich die Prozessionen von Panschwitz-Kuckau mit Crostwitz.
Das Osterreiten in Bautzen fand dagegen erst wieder 1927 statt. Vermutlich liegt es daran, daß in der Stadt katholisches sorbisches Bauerntum nicht so konzentriert vorhanden ist. Damals fanden sich einige Sorben, um von Bautzen nach Radibor zu reiten und an der dortigen Prozession nach Storcha teilzunehmen. Unterwegs schloß sich ihnen noch ein weiteres Reiterpaar an, die Salzenforster Einwohner Johann Spahn 1889-1953) und Ziesch. 1928 ging das erste Osterreiten als selbstständige Prozession mit einer Beteiligung von 46 Reitern vor sich.
In den Kriegsjahren 1941-1945 fiel die Prozession jedoch aus (Erich Lodni: „Das 30. Osterreiten in Bautzen“ Bautzener Kulturschau 4/1963). Dr. sc. phil. S. Musiat jedoch berichtet jedoch davon, daß 1942 die Gestapo ermittelte. In der Prozession von Storcha waren Pferdeschleifen in den sorbischen Farben blau-rot-weiß aufgetaucht. Bürgermeister und Reiter wurden streng verwarnt.
Nach Kriegsende fehlte es zwar an Pferden, aber die Prozessionen konnten fortgesetzt werden. 1952 zählte man bereits 667 Reiter, 1958 sogar 721. Durch rapide abnehmende Pferdebestände infolge der Vergenossenschaftlichung betrugen von 1964-1972 die Gesamtzahlen der Reiter noch über 500, 1974 waren es nur noch 494. So gab 1970 die Prozession von Bautzen auf, Storcha folgte 1973, konnte sich 1978 aber wieder reaktivieren. So zählte man 1980 wieder 784 Reiter. (Bautzener Kulturschau 4/1981: Dr. sc. phil. S. Musiat: "Sorbische Osterreiter")
Warum Bautzen keine Partnergemeinde hat, ist aufgrund der dürftigen Quellenlage nicht befriedigend zu beantworten. In der Zeit, in der die Stadt keine eigene Prozession stellte (zwischen dem Ende des 18. Jahrhunderts und 1928 sowie zwischen 1970 und 1993) beteiligten sich die Bautzener Sorben in den Reiterzügen umliegender Gemeinden. Seit 1993 verzeichnet die städtische Prozession wieder stabile Teilnehmerzahlen. (Maren Schorch: „ Das sorbische Osterreiten in der Oberlausitz. Soziologische Reflexionen“ LĚTOPIS. Zeitschrift für sorbische Sprache, Geschichte und Kultur. Časopis za rěč, stawizny a kulturu Łužiskich Serbow), issue: 2 /2008, pages: 42-60 www.ceeol.com)
Da die katholischen Einwohner von Salzenforst zum Domstift eingepfarrt sind, können sie am Prozessionszug von Bautzen nach Radibor teilnehmen.
Neben den bereits erwähnten Reitern Spahn und Ziesch nahmen oder nehmen weitere Teilnehmer aus Salzenforst an der Prozession teil: Benno Winkler )1923-2002), Georg Rötschke (1929-2020) und sein Sohn Hans-Joachim, Herr Lehmann, Daniel Mirtschink
